Versöhnung

Es ist Januar 2023.
Ich stehe hier in Huntsville am Grab meines Vaters.

Er war derjenige Teil der Familie, der mich geliebt und mit mir ein wenig Vater-Sohn-Verhältnis gepflegt hat. 
Er verließ mich 1975, weil er vor der Strafverfolgung wegen schweren Betrugs in meine Heimat Kanada geflohen ist.
Bis 1980 hatten wir Telefonkontakt. Ich war darüber sehr glücklich.

Irgendwann wollte ich aus Gründen der "Bereinigung" von ihm wissen, warum er mich damals ohne Abschied verlassen hatte. Ich wollte auch wissen, warum er mir meine gesamten, ersten Ersparnisse unterschlagen hat, von denen ich mir mein erstes Auto kaufen wollte - immerhin DM 3.200,--, die ich mir mit drei Jobs neben der Schule gespart hatte.
Daraufhin habe ich nie wieder etwas von ihm gehört und ihn auch nach vielen Versuchen (keine Meldepflicht in Kanada) nicht mehr finden können.

Ich stehe jetzt am Grab meines Vaters und hätte ihn doch so gern in den Arm genommen. Ich hätte ihm so gerne seine vielen, verdammten Fehler und Missetaten verziehen. Aber es sollte nicht sein.

​Bitte:

Verhaltet Euch am Ende jeder Kommunikation so, als wenn ihr den Menschen nie wieder sehen werdet. 
Als wenn dieser Mensch morgen verstirbt.
Geht nie im Streit auseinander - es sei denn, der Mensch bedeutet Euch absolut nichts.

Wenn ihr den Menschen aber "eigentlich" liebt:
Atmet am Schluss eines Streites einmal tief durch und überlegt euch, ob man so für immer auseinander gehen muss.
Ob sich der Schmerz der Verletzung oder die Süße der Rache wirklich lohnt ...

.. am Grab des Menschen.